1. Ausgangslage
Liegt ein vollstreckbares Deutsches Urteil oder eine vollstreckbare öffentliche Urkunde vor, kann dieses oder diese in der Schweiz nicht direkt vollstreckt werden. Insbesondere können nicht direkt über den Gerichtsvollzieher Vermögenswerte des Schuldners, z.B. Lohnansprüche, Bankkonti oder Grundstücke, gepfändet werden, wie das in Deutschland üblich ist. Bevor es zur eigentlichen Vollstreckung kommt, muss zuerst das (innerschweizerische) Vollstreckungsverfahren durchlaufen werden.
Das ist der große Unterschied zu einer Vollstreckung in Deutschland. In der Schweiz liegt ein duales System mit zwei Behörden vor, während in Deutschland das Gericht vollstreckt. Nachfolgend wird vorab die Zwangsvollstreckung ohne vollstreckbaren Titel und danach mit vollstreckbaren, d.h. tituliertem Urteilen beschrieben.
2.1 Zahlungsbefehl
Die Zwangsvollstreckung in der Schweiz beginnt mit der Ausstellung eines Zahlungsbefehls durch das Betreibungsamt (Vollstreckungsamt). Das ist ein ähnliches Verfahren wie in Deutschland das Mahnverfahren. Der Gläubiger beantragt die Ausstellung eines Zahlungsbefehls mit schriftlichem Gesuch an das Betreibungsamt. Ein Zahlungsbefehl enthält den Namen und Wohnort des Gläubigers und des Schuldners, die Forderungssumme in Schweizer Währung mit der Höhe der Zinsen und dem Beginn des Zinsenlaufes sowie die Forderungsurkunde oder in Ermangelung einer solchen den Grund der Forderung. Die Ausstellung eines Zahlungsbefehls kann man voraussetzungslos beantragen, auch ohne Rechtstitel. Entsprechend kann sich der Schuldner auch einfach gegen den Zahlungsbefehl wehren. Er kann innert zehn Tagen nach Zustellung des Zahlungsbefehls beim Betreibungsamt Rechtsvorschlag (Widerspruch) erheben. Dafür braucht er keine Begründung. Unterlässt der Schuldner den Rechtsvorschlag, warum auch immer, kann der Gläubiger innert 20 Tagen nach Zustellung des Zahlungsbefehls das Fortsetzungsbegehren (Pfändungsbegehren) stellen, das letztlich in die Pfändung und Verwertung seines Einkommens und / oder Vermögenswerte mündet.
2.2 Rechtsöffnungsverfahren gestützt auf einen Schweizer Titel
Hat der Schuldner Rechtsvorschlag erhoben, muss der Gläubiger zur Weiterführung der Vollstreckung den erhobenen Rechtsvorschlag beseitigen lassen. Dafür muss der Gläubiger die materiell-rechtliche Berechtigung der Forderung nachweisen und dafür ein Gerichtsverfahren, das sogenannte Rechtsöffnungsverfahren, einleiten. In diesem Verfahren wird entschieden, ob und in welchem Umfang eine Zwangsvollstreckung weitergeführt werden kann. Liegt dem Gläubiger ein Schweizer Urteil oder eine öffentliche Urkunde vor, weil er z.B. seine Forderung in der Schweiz hat einklagen lassen, ist das kein Problem (definiter Rechtsöffnungstitel). Der Schuldner kann dann nur noch einwenden mit Urkundenbeweis, dass die Forderung getilgt, gestundet oder verjährt ist. Hat der Gläubiger keine vollstreckbares Urteil oder öffentliche Urkunde, kann er aber anhand von ganz klaren Beweisen nachweisen, dass die Forderung besteht, kann er den Rechtsvorschlag ebenfalls beseitigen lassen (provisorischer Rechtsöffnungstitel). Der Schuldner kann dann aber in einem ordentlichen Gerichtsprozess die sogenannte Aberkennungsklage erheben gegen den provisorischen Rechtsöffnungstitel, wenn er der Meinung ist, die Forderung anhand der Beweise ist nicht ausgewiesen.
2.3 Rechtsöffnungsverfahren gestützt auf einen deutschen Titel
Liegt dem Rechtsöffnungsgesuch ein vollstreckbares Urteil oder eine vollstreckbare öffentliche Urkunde aus Deutschland zugrunde, muss vorab entschieden werden, ob der deutsche Titel in der Schweiz vollstreckbar ist. Im Verhältnis Deutschland / Schweiz entscheidet sich diese Frage nach dem Lugano-Übereinkommen, das in weiten Teilen der Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen entspricht (EuGVVO). Das Rechtsöffnungsgericht kann vorfrageweise über die Vollstreckbarerklärung entscheiden. Wird die Vollstreckbarerklärung bejaht, bedeutet dies, dass die Wirkungen des ausländischen Urteils auch für die Schweiz gelten. Entsprechend muss das Rechtsöffnungsgericht (wie bei innenschweizerischen Titeln) prüfen, ob der Schuldner mit Urkunden beweisen kann, dass die Forderung getilgt oder gestundet ist, oder ob er zu Recht die Verjährung anruft. Sonst wird der Rechtsvorschlag beseitigt und es kommt zum Verpfändungsverfahren.
2.4 Arrestgesuch zur Sicherung von Vermögenswerten des Schuldner
Um zu verhindern, dass ein Schuldner Vermögenswerte beiseiteschafft, können diese mit einem Arrest gesichert werden. Beim Arrest handelt es sich um eine vorsorgliche Maßnahme zur Sicherung einer späteren Zwangsvollstreckung, der Schuldner wird nicht angehört. Der Gläubiger muss dafür ein Gerichtsverfahren einleiten und die Voraussetzungen für die (explizite) Vollstreckbarerklärung und die Arrestbewilligung darlegen.
3. Kostenfolge
3.1 Kosten für den Zahlungsbefehl
Die Kosten des Verfahrens hat der Gläubiger vorzuschiessen, aber wenn die Betreibung rechtmässig ist, werden sie in die geschuldete Summe eingerechnet. Die Gebühren variieren je nach Kanton und hängen von der Höhe der Forderung ab. Für einen Betrag von weniger als CHF 10'000 muss man mit CHF 50.- bis CHF 100.- rechnen.
3.2 Gerichtskosten im Rechtsöffnungsverfahren
Erhebt ein Schuldner Rechtsvorschlag, so muss dieser wie erwähnt vor Gericht (Rechtsöffnungsrichter) beseitigt werden. Das Gericht arbeitet grundsätzlich nur auf Vorauskasse. Sobald ihre Klage eingegangen ist, wird das Gericht einen Kostenvorschuss verlangen. Dieser Vorschuss richtet sich nach Art. 48 GebV SchKG. Die Kantone haben keine Regelungskompetenz und haben sich an die Nationale Gebührenverordnung zu halten:
Forderungen bis 1’000.- Franken: 40.- bis 150.- Gerichtskosten
Forderungen bis 10’000.- Franken: 50.- bis 300.- Gerichtskosten
Forderungen bis 100’000.- Franken: 60.- bis 500.- Gerichtskosten
Forderungen bis 1’000’000.- Franken: 70.- bis 1’000.- Gerichtskosten
Forderungen über 1’000’000.- Franken: 120.- bis 2’000.- Gerichtskosten
Häufig wird vom Gericht die Maximalgebühr angeordnet. Wenn Sie vor Gericht „gewinnen“, wir das Gericht den Schuldner „verurteilen“ die Kosten (und eine kleine Prozesskostenentschädigung an den Kläger) zu bezahlen. Allerdings muss der Kläger das Geld beim Schuldner eintreiben. Das Gericht wird sich aus der Vorauskasse bedienen. Praxistipp: Wenn Sie vor Gereicht „verlieren“, müssen Sie die Kosten tragen und auch noch eine Prozesskostenentschädigung an den Schuldner zahlen. Prüfen sie deshalb sorgfältig, ob sie eine Urkunde haben, um die Rechtsöffnung zu beantragen.
3.3 Anwaltskosten im Rechtsöffnungsverfahren
In der Schweiz arbeiten die Anwälte in aller Regel nach Stundenaufwand. D.h. der Anwalt wird nach seinem Stundenaufwand bezahlt. Der Stundenansatz wird vorab vereinbart und liegt i.a.R. bei CHF 250.00 pro Stunde. Der Anwalt ist verpflichtet, seine Stunden aussagekräftig und nachvollziehbar festzuhalten und regelmässig darüber zu informieren. Für ein Rechtsöffnungsverfahren ist grundsätzlich mit vier bis sechs Stunden Aufwand zu rechnen. Somit fallen ca. CHF 1'500.00 Anwaltskosten an. Obsiegt man im Verfahren, erhält der Gläubiger aber nur einen kleinen Teil zurück. Die Parteientschädigung richtet sich nach einer Gebührenverordnung, die kantonal unterschiedlich sind.
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Vollstreckung von Deutschen Urteilen in der Schweiz | Streiff-Rechtsanwalt
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